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Ich versuche, einmal die Woche etwas Neues zu machen. Und das ist ziemlich ungewöhnlich für mich, denn ich war schon immer ein Mensch, der großen Wert auf Routinen legt, der Rituale liebt. Vor einigen Jahren war ich ungefähr der umspontanste Mensch auf diesem Planeten. Ich mochte das Unbekannte nicht, wollte immer wissen, was auf mich zukommt. Die Kontrolle haben, um Unsicherheiten zu kaschieren.
Jetzt liebe ich es, mich fallen zu lassen. Und sehe Neues als eine Bereicherung an.
Aber das war nicht immer so.

Die flirrende Hitze legt sich gerade etwas, als ich einen Strand der griechischen Insel Kos betrete. Ich, 15 Jahre alt, bin hier für einen Familienurlaub, und nach dem Abendessen ist das Meer verlockender als noch am Morgen. Als ich mich auf eine kleine Steinmauer setze, die den Strand von Pinienbäumen abschirmt, trennen mich nur zwei Meter von einem älteren Herrn mit einer bemerkenswerten Bräune. Wir nicken uns zu und als er fragt und erfährt, dass ich aus Deutschland komme, ist er ganz verzückt. Er hat in Deutschland gelebt und dort als Lehrer gearbeitet, er liebt Deutschland. Aber eigentlich kommt er aus Kolumbien. Sein Deutsch ist ziemlich gut.
Ob ich mal nach Kolumbien reisen werde, möchte er wissen. Irgendwann in der Zukunft.
„Vermutlich nicht“. Verlegen zucke ich mit den Schultern.

Warum nicht, möchte er wissen. Aber ich kann nur schwer erklären, was das für ein Gefühl ist, das mich manchmal nur schwer atmen und vor fremden Dingen zurück schrecken lässt. „Ich mag das Unbekannte nicht so gern“, sage ich schließlich.
„Bevor du etwas Bekanntes lieben gelernt hast, war es unbekannt. Stimmt’s, oder? Stimmt’s?“ Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihm verblüfft zuzustimmen, ihm und seinen freudig ausgerufenen „Stimmt’s“.
Seine bunten Perlenarmbänder glitzern in der Sonne, als er erzählt, wie er vor seiner Zeit in Deutschland in Italien gelebt hat, und davor in Asien. Die lächelnden Falten in seinem Gesicht erzählen fast mehr als seine Worte. Er strahlt, als er von seiner Vergangenheit redet. Ich habe eine Schwäche für strahlende Menschen.
Ich will sein wie sie.

Es können die scheinbar unbedeutendsten Zufälle sein, die zu Momenten werden, die uns prägen. Die uns zeigen, wie viel mehr es zu sehen gibt.
Manchmal denke ich an diesen Tag zurück: An den Staub unter unseren Füßen, den Wind in meinem Haar, an den Geruch von Sonne auf der Haut und an das Rauschen des Meeres.
Seit diesem Tag weiß ich eins: Es fühlt sich herrlich an, beides zugleich zu lieben.
Das Altgeliebte und das Unbekannte.
Stimmt’s?

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24 comments on “Der alte Mann und das Meer”

  1. Ich hab das Buch so lange nicht mehr gelesen, sollte es unbedingt mal wieder zur Hand nehmen und ich stimme dir (und ihm) vollkommen zu. Ich war auch immer sehr auf Gewohntes und Routine bedacht, aber schon seit ein paar Jahren, versuche ich mich davon zu entfernen und Neues zu wagen und das tut so gut und ich habe schon so viel Neues dadurch entdeckt, Routine mag ich inzwischen gar nicht mehr, so kann´s gehn. Vielen Dank für diesen wundervollen Beitrag und ich wünsche dir ein ganz fantastisches Wochenende, alles Liebe, x S.Mirli (http://www.mirlime.com)

    • Ohh danke :)) Das freut mich total, dass du so viele schöne neue Dinge dadurch entdecken konntest, das ist bei mir ja mittlerweile zum Glück auch so 🙂 Dicker Kuss für dich!

  2. Ich bin ja ehrlich gesagt genau das Gegenteil. ich mag es zu reisen und spontan zu sein. Immer noch gewisse Pläne (und Ziele) zu haben, aber sich zwischendrin auch mal treiben zu lassen. Während meine Schwester wirklich so jemand ist, die wirklich Routine braucht. Ganz extrem. 😉

  3. Wunderschön wie immer! Es fühlt sich wirklich so gut an, etwas neues zu wagen und sich darauf einzulassen aber gleichzeitig gibt es auch nichts schöneres dann zu wissen, dass man irgendetwas immer bleibt und beständig ist und dass man immer wieder dorthin zurückkehren kann. <3

    Liebe Grüße :* 🙂
    Alina
    http://www.xxiv-diaries.de

  4. Alissa, du schreibst so schön ♥ Es stimmt tatsächlich, dass einen die unscheinbarsten Momente prägen können. Und das ist auch gut so:-) Es sollen nicht immer die großen Dinge sein, die einem im Kopf bleiben!
    Hab ein tolles Wochenende Sonnenschein!
    Liebst, Melina
    http://www.melinaalt.de

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