
Noch vor einem Jahr hätte ich mir niemals vorstellen können, jetzt in Frankreich zu leben, und es war auch in keinster Weise geplant. Selbst heute habe ich noch das Gefühl, dass ich irgendwie da hinein gerutscht bin und muss mich an manchen Tagen kneifen, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich hier bin. Doch auch wenn ich mir das alles gar nicht vorstellen konnte und zwischendurch am Papierkram verzweifelt bin, so bin ich mittlerweile wirklich so so so froh, das alles durchgezogen zu haben, denn die Monate hier in Lyon sind einfach eine wunderschöne Zeit und Erfahrung. In den folgenden Zeilen beschreibe ich euch die Schritte, die ich für ein Auslandssemester durchlaufen habe – vielleicht kann ich so dem ein oder anderen ja die Angst vor der Bewerbung nehmen.
Just do it! | Februar. Der erste Schritt ist selbstverständlich, sich nach einem Programm oder einer Agentur zu erkundigen, die in Zusammenarbeit mit deiner Universität den Auslandsaufenthalt organisiert. Natürlich kann man auch auf eigene Faust ein Auslandssemester in Angriff nehmen, aber in meinen Augen ist das wegen den ganzen administrativen Aufgaben fast unmöglich. Ich glaube, fast an jeder Uni werden solche Programme angeboten. In meinem Fall handelt es sich um das bekannte Programm ERASMUS. An meiner Uni kann man sich nur einmal im Jahr bewerben, es lohnt sich also, sich so früh wie möglich zu informieren! Wenn man dann die Bewerbungsvorraussetzungen und -Fristen herausgefunden hat, bewirb dich einfach! Wie ich bereits hier beschrieben hatte, sprachen bei mir so viele Gründe gegen das Einreichen einer Bewerbung: “Als Erstsemestler hast du eh keine Chance.” “Du bist mitten in der Klausuremphase, wie willst du denn jetzt noch das ganze Bewerbungsverfahren schaffen?”, und so weiter und so fort. Auch wenn ich kurz überlegt hatte, tatsächlich meine fertig gestellten Bewerbungsunterlagen überhaupt nicht abzugeben, tat ich es doch, und wurde wider aller Erwartungen genommen. Und heute bin ich so so so froh, dass ich mich doch noch dazu entschieden habe!
Die Bewerbung. Dieser Punkt ist so weit ich weiß bei jeder Uni unterschiedlich. In meinem Fall musste ich in einem ersten Schritt ein Motivationsschreiben, einen Lebenslauf und ein Onlinebewerbungsverfahren in der jeweiligen Fremdsprache – in meinem Fall also französisch – abgeben. Auch wenn ihr das natürlich selbst schreiben solltet, schadet es nie, einen Muttersprachler der jeweiligen Sprache drüber schauen zu lassen – Lebensläufe sind im französischen zum Beispiel anders herum aufgebaut als im Deutschen, was ich davor gar nicht wusste.
The next steps | März – Mai. Was für eine wunderbare Mail – ich war angenommen worden! Für Lyon! Nachdem ich eine Runde weiter war, musste ich nun innerhalb einer Frist von ca. 2,5 Monaten durch ein weiteres Onlinebewerbungsverfahren. Außerdem musste ich mir einen Überblick darüber verschaffen, was ich in dem betreffenden Semester in Deutschland für Kurse belegen würde und mir dazu die äquivalenten Kurse an meiner französischen Uni heraus suchen. Diese Auswahl muss dann von den deutschen als auch den französischen Professoren für in Ordnung befunden werden, und erst dann ist einem der Platz zu 100% sicher. Die Kursauswahl nennt man “Learning Agreement (LA)” und war wirklich der Punkt, der mich wochenlang in den Wahnsinn getrieben hat. Der Grund: Meine französische Uni hatte überhaupt kein aktuelles Vorlesungsverzeichnis im Internet und wenn ich ein paar Kurse finden konnte, waren die ohne Beschreibung. Meine zuständige Professorin konnte aber natürlich keine Kurse akzeptieren, von denen sie nicht wusste, was genau dort behandelt wird, und somit begannen wochenlange Emailkorrespondenzen mit Frankreich und zahlreiche Sprechstunden mit meiner Professorin, in denen ich mich relativ hilflos fühlte. Nach wochenlangen Bemühungen unterschrieb sie dann endlich und ich war erleichtert, den schwierigsten Punkt abgehakt zu haben.
Together we are stronger. Meine Tipps, damit das mit dem LA besser funktioniert und man sich generell nicht so verloren fühlt: Auch wenn man an der schrecklichen Unorganisiertheit der Franzosen nichts ändern kann, so kann man sich wenigstens mit Mitleidenden zusammen tun. Frag deine ERASMUS-Koordinaten nach Namen oder Email-Adressen der Leute, die an dieselbe Uni wollen wie du. Besuche, falls dies angeboten wird, einen Vorbereitungskurs und knüpf dort erste Kontakte. Ich habe dort zum Beispiel Menschen kennen gelernt, mit denen mich jetzt hier in Lyon eine wirklich enge Freundschaft verbindet und mit denen ich auch das LA gemeinsam durchgestanden habe. Zusammen ist man immer stärker!
Ask everything! Außerdem: Scheue dich niemals, alles zu fragen, was du nicht verstehst! Meine ERASMUS-Beauftragten sind in meinem Email-Programm glaube ich immer noch meine wichtigsten Kontakte, da mir alle paar Tage irgendwelche Dinge unterkamen, die ich nicht verstanden habe. Hab keine Angst, zu fragen – es ist schließlich ihr Job, dir zu helfen!
Get Shit done! | Mai – Juli. Nachdem diese administrativen Dinge endlich geschafft sind… genau, kommen noch mehr organisatorische Dinge auf dich zu. Einer der wichtigsten Dinge ist es nun, eine Wohnung zu finden. Das ist je nach Stadt natürlich unterschiedlich, aber generell ist es sehr schwer, etwas Gutes und Preiswertes zu finden. Daher solltest du hierfür genug Zeit einplanen. Auch andere Dinge gilt es zu klären: Wenn ich zu Hause in einer Wohnung/WG wohne, kann ich einen Untermieter finden? Wie viel übernimmt meine Haftpflicht- und Krankenversicherung im Ausland, brauche ich Zusatzversicherungen? Ich musste (schweren Herzens) meinen Nebenjob kündigen, die Zusatzversicherungen abschließen und den Wohnungsdeal festmachen.
Time to say Goodbye | August. Da das französische Semester bereits Anfang September beginnt, war es für mich Ende August Zeit, für 4,5 Monate zu packen und eine Abschiedsfeier mit all meinen Lieben zu genießen.
Almost done | September. Endlich angekommen. Nach der ersten Nacht in meinem neuen Zuhause ist mir schon mal ein riesiger Stein vom Herz gefallen, denn schließlich war fast alles geschafft. Trotzdem sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass man sich trotzdem noch um einige Dinge kümmern muss. Auspacken, einrichten, sich mit den nächstgelegenen Supermärkten vertraut machen. Ein französisches Bankkonto und einen Handyvertrag einrichten. Sich eventuell um eine Hausratsversicherung und einen Antrag für die französische Wohngeldrückerstattung CAF kümmern. In der Uni seinen Stundenplan zusammen stellen und nicht vergessen, die endgültige Auswahl mit den Koordinatoren von Zuhause abzuklären bzw. das LA zu aktualisieren. Außerdem muss man immer wieder Dokumente an seine Home-Universität schicken. Aber so abschreckend das jetzt auch alles klingt – danach ist es geschafft!
Auch wenn das jetzt alles sehr viel aussieht – lasst euch nicht entmutigen! Vergesst nicht, dass ihr für all das fast ein Dreivierteljahr Zeit habt und – zumindest in der Theorie – immer einen Ansprechpartner. Wie gesagt hatte ich aufgrund nie endendem Papierkram darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen, und jetzt bin ich so froh, doch durchgehalten zu haben. Ich bin jetzt seit 6 Wochen hier und fast fertig mit dem Papierkram – yes!!
Was ich noch einmal betonen möchte: Ich kann euch wirklich ans Herz legen, mit einer Organisation oder einem Programm ins Ausland zu gehen. Der ganze Papierkram ist ja so schon kompliziert genug, da möchte ich nicht wissen, wie es erst wäre, wenn man ganz allein auf sich gestellt wäre. Beim ERASMUS Programm hat man eigentlich sehr gute Chancen, irgendwann im Laufe seines Studiums einen Platz zu bekommen – man darf sogar mehrmals mit ERASMUS ins Ausland, was ich echt cool finde. Die Organisation übernimmt die Universitätsgebühren im Ausland und fördert den Studenten mit ca. 250-350 Euro im Monat, was natürlich eine riesige finanzielle Erleichterung ist.
Ich hoffe dem ein oder anderen einen Überblick über die Vorbereitungen für ein Auslandssemester geben oder ihn motivieren konnte, sich ebenfalls zu bewerben. Auch wenn es viel ist – wenn ich das geschafft habe, schafft ihr das auch!
