Der Tag, an dem mir mitgeteilt wurde, dass ich ein Auslandssemester in Lyon machen darf, war ein einskalter Tag Mitte Februar 2015. Ich checkte um kurz vor Mitternacht im Bett meine Mails und bin nach dem Lesen der frohen Botschaft erstmal so erschrocken aufgesprungen, dass ich die Nachttischlampe gleich mit herunter gefegt habe. Sofort am nächsten Morgen sah ich mir mit zitternden Fingern und voller Aufregung Bilder der Stadt, in der ich leben würde, auf Google an. Eines der ersten Dinge, die ich fand, war das traditionelle „Fête de Lumières“, das Lichterfest der Stadt. Es findet jedes Jahr um den 8. Dezember herum statt und wird zu Ehren der Jungfrau Maria gefeiert – um ihr zu danken, dass die Pest im 17. Jahrhundert ein für alle mal besiegt wurde. Damals zündeten die Menschen aus Dankbarkeit tausende Teelichter und Kerzen auf ihren Fensterbrettern an, denn: Die Zeit der Dunkelheit war vorbei. Heute wird das Fête de Lumières jeden Dezember als ein riesiges Ereignis in der ganzen Stadt gefeiert – mit bis zu 4 Millionen Besuchern und atemberaubenden Lichtspielen auf den Fassaden der Stadt. (Auf dem Foto unten seht ihr zum Beispiel auf der Postkarte die Lichtspiele auf der Saint-Jean Kirche aus dem Jahr 2012 und daneben, wie die Kirche sonst aussieht.) Mit glänzenden Augen las ich die unzähligen Einträge im Internet. Es war klar: Ich würde meinen Geburtstag dieses Jahr in Lyon verbringen, und er würde auf das Lichterfest fallen. Schnell war geplant, dass meine Familie mich zu diesem Zeitpunkt besuchen würde, und wir sowohl meinen 21. Geburtstag, als auch das Lichterfest zusammen feiern würden. Es sollte das Highlight des Jahres werden. Für mich und für so viele Andere.
Nach den schrecklichen Ereignissen in Paris ist die Angst vor Terror und Massenpaniken überall. Das Fête de Lumières wird gecancelt. So viele Menschen sind unendlich traurig. Das Symbol für Dankbarkeit und Hoffnung – abgesagt. Es wird kein Licht geben, und eine Stadt scheint zu kapitulieren. Aber es ist besser so, vernünftiger. Auch ich bin zuerst sehr traurig über die geplatzten Pläne. Um meinen Geburtstag nicht ganz ohne meine Familie verbringen zu müssen, buche ich Züge und Busse nach Hause. Und als das geschehen ist – spüre ich eine grenzenlose Vorfreude. Mein traditionelles Raclette-Essen mit all meinen Freunden kann überraschend stattfinden, genau wie die Feier mit meiner Familie.
In drei Tagen werde ich sie alle wiedersehen. Ich freue mich schon so wahnsinnig darauf, Liebe in jedem Zimmer unseres Hauses zu spüren. Zusammen mit meinen Freunden Glühwein und Punsch mit viel Zimt und Orangenschale im Wohnzimmer zu trinken. Ich freue mich auf laute Gespräche, Erzählungen, Lachen. Darauf, riesige Torten mit meiner Verwandtschaft zu essen. Und darauf, im Wohnzimmer unzählige Kerzen anzuzünden – als mein eigenes Zeichen der Dankbarkeit.